Leben als alleingeborener Zwilling / Mehrling

Die Verbindung, einzigartige Nähe, Innigkeit, die totale Verschmelzung und das „Eins-Sein“ mit dem eigenen Zwilling (Mehrling) ist die intensivste Verbindung, die wir als Menschen erleben können. Sie ist sogar stärker und symbiotischer als die mit der Mutter.

Der Verlust des Zwillings ist somit das tiefste Ur-Trauma, das wir erleben können und entsprechend unerträglich fühlt es sich an, diese innige Verbindung zu verlieren. 

Geschieht dies schon im Mutterleib, zu einem so frühen Zeitpunkt des beginnenden Lebens, indem man noch gar nichts anderes kennt als diese paradiesische tiefe seelische und körperliche Nähe, ist es ein unbeschreiblicher Schock, plötzlich in vollkommenem Unverständnis (ohne Erklärungs- und Verstandes-Möglichkeiten) damit allein zurückzubleiben. Aus dem höchsten, paradiesischen Glücksgefühl der Symbiose stürzt man in den tiefsten Ur-Schmerz der kompletten Trennung, des Verlassenseins und bleibt mit überwältigendem Schmerz, nicht begreifen könnend, vollkommen alleine zurück und es scheint, als würde das Leben enden, bevor man überhaupt das Licht der Welt erblickt hat. 

In diesem Schock und der Verwirrung hat die Seele in diesem frühen Stadium keine andere Möglichkeit, als das Geschehene auf sich zu beziehen und bleibt so auch noch mit Schuldgefühlen, den geliebten Bruder / die Schwester nicht haben retten zu können oder sogar Schuld an seinem Tod zu sein zurück. Man glaubt beispielsweise, man hätte ihm den Platz oder die Nahrung genommen, ihn mit seiner Nähe erdrückt, ihn vereinnahmt o.ä. 

Außerdem speichert die Seele ab, dass auf tiefste Verbundenheit und Intimität Verlust, unaushaltbarer Schmerz und abgrundtiefe Einsamkeit folgen. 

So startet man mit zwei der extremst möglichen Erfahrungen in sein Leben als alleingeborener Zwilling: Man hat das Paradies der vollkommenen Nähe, Intimität und Verbundenheit erlebt und im nächsten Moment all dies wieder auf tragischste Weise verloren und bleibt in abgrundtiefer Einsamkeit und Leere in völliger Ohnmacht, Hilflosigkeit und Verzweiflung zurück. 

Mit diesen beiden Extremen beginnt nun ein Leben alleine, in dem man eigentlich gar nicht sein will, weil man sich schuldig fühlt und es sich falsch anfühlt, dass man selbst lebt und der andere gehen musste. Das eigene Leben unter diesen Bedingungen wirklich anzunehmen und ganz zu leben, scheint ungerecht und so lange kaum möglich, bis irgendwann ins Bewusstsein steigt, man sich bewusst erinnert oder berichtet bekommt, was damals geschehen ist. Dann wird es möglich (den Schock zu verarbeiten), zu erkennen, dass die Schuldgefühle vollkommen unberechtigt sind und es einfach der Lebensplan beider Seelen so vorgesehen hatte, dass es Bestimmung, Schicksal war, dass es so gekommen ist. 

Die eigene Geschichte wird neu erkannt, Dynamiken werden neu begriffen, die ewige Suche kann aufhören und der unaussprechliche Schmerz kann heilen, weil man IHN, den man überall gesucht hat, wiedergefunden hat und ihm einen Platz im Herzen geben kann, wo er einfach bleiben darf. So kehrt Frieden in der Seele ein, man kann das erste mal wirklich JA zu sich selbst und seinem eigenen Leben sagen, es ganz und gar ergreifen und mit all der Lebendigkeit, Intensität und Sensitivität aus den ersten Monaten und Wochen der Gemeinsamkeit im Mutterleib heute im Hier und Jetzt WIRKLICH LEBEN. Man darf spüren, wie man nicht mehr zu viel oder zu wenig ist oder schuldig und daraus folgend ständig verantwortlich für andere, sondern genau richtig! Man darf und kann sich endlich um sich Selbst kümmern!